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08.07.2024

Über die Gefühle von Kindern und Erwachsenen – Vortrag des Erziehungsberaters Jan Uwe Rogge

 

Kinder lieben Eltern, die zu ihren Gefühlen stehen. Wenn Eltern dies nicht können oder wollen, merken die Kinder das, weil sie selbst zu ihren Gefühlen stehen. Dies ist der Grund für viele Erziehungsprobleme, wie der Pädagoge Jan Uwe Rogge zeigte. Aber er bot auch hilfreiche Lösungsmöglichkeiten an.

Rogge sprach auf Einladung der KEB-Ingolstadt in der Aula der Ingolstädter Gnadenthalschulen. Seine Grundbotschaft war, dass Kinder ihre Gefühle nicht verdrängen sollen, wie wir Erwachsenen das oft tun (müssen), sondern sie kontrolliert und begleitet von verständnisvollen Eltern und Bezugspersonen leben sollen. Besonders warnte er dabei vor einer Überbehütung der Kinder, wie sie heute oft erlebbar ist. Falsch sei aber auch die Botschaft „Du wirst ja immer aggressiver!“ bei einem aggressiven Verhalten der Kinder oder bei Angstgefühlen: „Du brauchst doch keine Angst zu haben.“

Genau diesen Gefühlen – Aggression und Angst – widmete sich Rogges Vortrag besonders. Der Erziehungsberater erinnerte daran, dass das lateinische „aggredi“, von dem „Aggression“ abgeleitet wird, ursprünglich „auf jemanden zugehen“ oder „etwas anpacken“ bedeutet. Und im Grunde sind auch die auf den ersten Blick aggressiven Handlungen von Kindern hier verortet. Denn Kinder entwickeln im Lauf ihrer ersten Lebensjahre einen Schrei-, einen Saug- und einen Beißreflex, und diese Reflexe sind überlebenswichtig, denn sie haben damit zu tun, dass Kinder Nahrung zu sich nehmen müssen. Und da sich im Lauf des ersten Lebensjahres beim Kind Muskeln bilden, entwickelt sich auch ein Greifreflex, den besorgte Eltern mitunter mit den Worten kommentieren: „Er schlägt schon!“

Wenn Eltern diese Reflexe dadurch kultivieren wollen, indem sie sie nicht zulassen, verstärken sie sie letztlich. Dies geschieht auch durch eine viel verbreitete Haltung, dass man die Bewegungsfreiheit der Kinder einschränkt. Rogge erinnerte daran, dass Kinder früher meistens zu Fuß zur Schule gegangen sind, heute sei es oft üblich, dass sie von den Eltern chauffiert werden. Und auch ein – freilich kontrolliertes – Rangeln und Raufen sei wichtig. Rogge empfahl Rangel- und Raufzonen in Kindergärten und erinnerte auch daran, dass in früheren Zeiten, wo solches Raufen durchaus nicht so stark mit Verboten belegt war, die Kinder und Jugendlichen wussten, wann sie mit dem Schlagen aufhören mussten, dann nämlich, wenn der Besiegte auf dem Boden lag. Heute würde auf diese Besiegten oft weiter eingeschlagen.

Zudem beklagte Rogge, dass Kinder zwar heute deutlich mehr wissen als in früheren Zeiten, die körperliche Entwicklung aber oft stillgelegt sei. So plädierte er an der Schule besonders für die Fächer Sport und Kunst, aber auch für Musik und nicht zuletzt Religion.

Und er erinnerte daran, dass er als Kind gern in Pfützen spielte. Seine Großmutter meinte sogar, dass es gesund ist, den Sand aus den Pfützen verschlucken. Heute hingegen könne es geschehen, dass besorgte Mütter aus Angst vor Keimen das Pfützenwasser vom Gesundheitsamt überprüfen lassen, wenn ihre Kinder in der Wasserlache gespielt haben.

Grundsätzlich wandte sich Rogge dem Themenbereich „Angst“ in einem zweiten Teil des Vortrags zu. Insgesamt fünf Phasen in der kindlichen Entwicklung betrachtete er genauer. So entwickeln Kinder schon als Babys die Angst, alleingelassen zu sein. Für sie ist Nähe dann wichtiger noch als körperliche Nahrung. In dieser Phase brauchen sie die Erfahrung, sich in eine Person, die sie liebt, fallen lassen zu können. Später, im achten Lebensmonat, entsteht die Acht-Monats-Angst, die auch Fremdeln genannt wird. In dieser Phase lernt das Kind zu unterscheiden, wem ich vertrauen kann oder nicht. Solche Selbstdistanzierung der Kinder gilt es zu akzeptieren, auch wenn wirklich freundliche Verwandte mitunter dann brüskiert sein können – schlimmer ist es hingegen, wenn Kinder in dieser Phase zu zutraulich sind. Sie können dann allzu leicht Opfer von sexuellem Missbrauch werden.

In einer dritten Phase wollen Kinder die Welt selbständig erkunden (wie das „Hänschen klein“, das „ging allein, in die weite Welt hinein“). Aber dennoch signalisieren Kinder in dieser Zeit auch eine Angst vor dem Alleinsein, weshalb Hänschen klein „Stock und Hut“ mitgenommen hat. So kann es Kindern schwerfallen, wenn Eltern sich von ihnen am Kindergartentor verabschieden. Hilfreich ist es da, den Kindern ein Erinnerungsstück – Stock und Hut – mit in den Rucksack zu geben. Das kann sogar ein Haar der Mutter sein, wenn das Kind gern mit ihren Haaren spielt.

Eine weitere Angst im Kleinkindalter hängt damit zusammen, dass Kinder auf einmal spüren, dass sie Macht haben und sich dann als kleine Monster fühlen. Des Nachts kann es dann vorkommen, dass die Kinder dann beginnen, sich vor großen Monstern zu fürchten. Hier ist es nicht angebracht, den Kindern diese Angst als irrational auszureden, sondern vielmehr durch Fragen und echtem Interesse diesen Weg mit ihnen mitzugehen. Und dann kann es auch schon mal hilfreich sein, wenn der Papa sich mit dem Kind ins Bett legt.

 Eine letzte Angst, über die Rogge sprach, ist die Angst vor dem Tod, die im vierten und fünften Lebensjahr erstmals auftaucht. Dabei machte er deutlich, wie unbefangen und positiv Kinder über ein Leben nach dem Tod sprechen können. So berichtete er von einem Kindergartenkind, das über den verstorbenen Opa im Himmel sprach und sich freute: „Jetzt braucht er nicht mehr die Oma zu fragen, wenn er einen Schnaps haben will.“

Die kindlichen Ängste, so führte Rogge weiter aus, spielen dann auch noch, freilich anders, in der Pubertät eine Rolle, etwa wenn Jugendliche zwar immer noch gern von den Eltern zu einer Party chauffiert werden wollen, dann aber nicht vor der Tür aussteigen möchten, denn solche Abhängigkeiten wollen sie dann doch nicht zeigen.

Abschließend gab Rogge den anwesenden Erwachsenen die Empfehlung, selbst zu ihren Gefühlen zu stehen und gab auch dazu ein schönes Beispiel: Eine Kindergärtnerin, die ihren Ärger in sich hineinfraß, entschloss sich dazu, selbst einmal in die Rangelzone des Kindergartens zu gehen und dort ihre Wut abzulassen. Die Kinder freuten sich und sagten, als sie wieder herauskam: „Jetzt ist sie entwütet“

Text und Bilder: Raymund Fobes

Die nächsten Termine

Freitag, 31. Januar
Erstkommunion-Familien-Wochenende
Ort: Jugendtagungshaus Schloss Pfünz
Veranstalter: Gemeindekatechese Eichstätt
Erstkommunion-Familien-Wochenende
Ort: Jugendtagungshaus Schloss Pfünz
Veranstalter: Gemeindekatechese Eichstätt
Freitag, 14. Februar
Erstkommunion-Familien-Wochenende
Ort: Jugendtagungshaus Schloss Pfünz
Veranstalter:  Gemeindekatechese in Zusammenarbeit mit dem Pfarrverband Heideck
Erstkommunion-Familien-Wochenende
Ort: Jugendtagungshaus Schloss Pfünz
Veranstalter:  Gemeindekatechese in Zusammenarbeit mit dem Pfarrverband Heideck
Freitag, 21. März
Firm-Familien-Wochenende
Ort: Jugendtagungshaus Schloss Pfünz
Veranstalter: Gemeindekatechese Eichstätt